Vedat Demirdöven, Digital-Experte und Photograph
Den großen Autor Peter Härtling habe ich als Autor von Kiepenheuer & Witsch kennengelernt. Im Rahmen von Digitalisierungsprojekten durfte ich dazu beitragen, dass seit 2010 die wichtigsten seiner Werke wie etwa „Hölderlin“, Liebste Fenchel!“, „Schubert“, „Bozena“, „Felix Gutmann“, „Das Ausgestellt Kind“ oder „Große, kleine Schwester“ als eBook im Verlagsprogrammverfügbar sind. Weil bei Kiwi das gesamte literarische Werk von Peter Härtling bei Kiepenheuer & Witsch lieferbar ist, hatte ich in meiner inneren literarischen Weltordnung unter „Erwachsenen-Literatur“ einsortiert. Das erste Buch, das ich von ihm gelesen hab war „O’Bär an Enkel Samuel“. Im Beschreibungstext des Verlages heißt es: „Nicht alle Schriftsteller haben eine Familie, aber die meisten. Schriftsteller schreiben nicht immer, aber meistens. Wenn ein Schriftsteller mal nicht schreiben kann, dann kann, sofern vorhanden, die Familie der Ausweg sein, gerade wenn sie über mehrere Generationen reicht und sich auch kleine Kinder darunter finden. In diesem Fall ist es Enkel Samuel, der die Sprache lernt, die dem Schriftsteller zu fehlen scheint. Samuel findet und erfindet Wörter, liefert die aberwitzigsten Silbensprünge und Bubenstreiche und versetzt seinen Großvater in größtes Erstaunen.“ Spätestens da hätte ich aufhorchen müssen, wie spielerisch Härtling er die anrührende Verquickung von eigenem Erleben und literarischer Fiktion – und das Porträt einer innigen Beziehung erzählt und ihm auch Kinderbücher zutrauen sollen. Denn beim Verlag Beltz & Gelberg, wo er Kinderbuch-Autor war, erschien kurz nach seinem Tod am 10. Juli 2017 das Kinder und Erwachsenen-Lesebuch „Djadi, Flüchtlingsjunge“. Ja, ich lese als Erwachsener ein Kinderbuch, denn das Thema ist aktueller denn je: In „Djadi, Flüchtlingsjunge“ erzählt Peter Härtling in einfacher, poetischer Sprache die Geschichte eines kriegstraumatisierten elfjährigen Syrers, der alleine in Deutschland ankommt und von einer Alten-WG aufgenommen wird. Flucht und Vertreibung ist eine Schlüsselerfahrung in Peter Härtlings eigener Biographie und spielt seit jeher in seinem literarischen Werk eine besondere Rolle. Das Thema ist gesellschaftlich hochaktuell und beschäftigt Peter Härtling auch in seinem Roman „Djadi, Flüchtlingsjunge“. Speziell das Schicksal der Kinder liegt dem Autor am Herzen. Erst im August formulierte Härtling in einem Gespräch für das Magazin chrismon: „Es hätte mir als Kind geholfen, wenn man mich nicht als ein Niemand, der integriert werden muss, behandelt hätte – sondern als Mensch.“ Peter Härtling ist im Juli 2017 leider verstorben, sein Werk lebt durch unser Lesen weiter.
Vedat Demirdöven, geb.1965 aufgewachsen in Köln und Istanbul, Digital-Experte und Photograph, behält sich stets einen Perspektivenwechsel vor, um ganz bewusst nicht alles und jeden in die berühmten „Schubladen“ zu packen. Nach seiner Auffassung ist es die große Herausforderungen der Gegenwart und auch der Zukunft, den notwendigen Kulturwandel in Arbeitsprozessen mit Bedacht und Respekt für alle Betroffen und Beteiligte zu bewältigen.
Vedats Empfehlung für die bunteste Literaturliste Deutschlands:
Djadi, Flüchtlingsjunge
von Peter Härtling
Roman für Kinder und Erwachsene
116 Seiten
ISBN:978-3-407-82164-5
Ab 10 Jahre
Beltz Verlag