Sasha Marianna Salzmann, Schriftstellerin, Dramatikerin und Essayistin
Wie findet man ehrliche Worte für das, was einem in der Liebe geschieht? „Die Argonauten“ ist Maggie Nelsons schonungsloses Protokoll einer Beziehung: Sie verliebt sich in eine Person, von der sie das Geschlecht nicht benennen kann, auch nicht nach dem Sex auf dem Zementboden der feuchten Single-Wohnung. Harry, dem das Buch gewidmet ist, und Maggie ziehen zusammen, sie kriegen Kinder, sie gehen beide auf eine Hormonreise – Harry auf Testosteron, Maggie auf Östrogen. Auf Kaffeetassen gedruckte Porträts bezeugen ihr Familienglück, sie leben eine konventionelle Beziehung. Kann Queer normal? Darüber denkt Nelson schreibend nach. Und über schwangere Körper, enttäuschte Erwartungen und wackelnde Selbstbilder. Sie zitiert feministische und poststrukturalistische Theorie, von Wittig über Butler bis hin zu Barthes, von dem sie sich die Metapher der Argo leiht: das Schiff, dessen Einzelteile die Mannschaft in voller Fahrt erneuern musste, um weiterfahren zu können. „Die Argonauten“ ist kein Roman und kein Sachbuch. „Confessional Memoirs“ heißt das Genre und meint hier ein radikal eindringliches Tagebuch, das trotz aller persönlichen Geständnisse das große und facettenreiche Bild einer Gesellschaft zeichnet, die von Transformationen geformt wird. Diese Transformationen vergegenwärtigt Nelson auf die bestmögliche Weise: durch Poesie.
Sasha Marianna Salzmann ist Schriftstellerin, Dramatikerin und Essayistin. Sie ist Hausautorin des Maxim Gorki Theaters Berlin.
Sashas Empfehlung für die bunteste Literaturliste Deutschlands:
Die Argonauten
von Maggie Nelson
192 Seiten
Hanser Berlin
Fester Einband
ISBN 978-3-446-25707-8